Dieter Sommerfeld:

Zur Entstehung des Dorfes


Das Dorf Volkerzen, von dem uns die älteste schriftliche Nachricht aus dem Jahre 1473 überliefert ist, hieß ursprünglich Volkertzhusen. Erst mit dem Ende des 15 Jahrhunderts wurde aus Volkertzhusen allmählich über verschiedene andere Namensformen , wie 1488 Volckertzen, 1536 Volkertzhausen, 1580 Folckerschen, 1596 Folckertzen, 1662 Folkertsheim auch Falkertzen, Volkertshain u.a. der heutige Name Volkerzen. Für die Siedlungs- und Ortsnamenforscher gehört demnach Volkerzen zu den Hausenorten. Unter Hausenorten verstehen diese nämlich solche Orte, deren Namen mit -hausen oder altdeutsch -husen enden oder geendet haben und meist mit einem Personennamen beginnen, Von diesen Orten gibt es um Volkerzen eine ganze Reihe, wobei man im heutigen Namen genau wie bei Volkerzen, nur noch die Endung - sen oder - zen findet. Zum Beispiel ist dies bei Hacksen (1473 Haixhusen, 1574 Haxhusen), Heupelzen (1493 Huypelshusen), Mammelzen (1453 Mamelshusen, 1476 Mammelshusen), Ölsen (1359 Udilshusen, 1481 (Eulshusen) und vielen anderen der Fall. Nach der Siedlungsforschung und der Ortsnamenskunde wird für solche Orte der Zeitraum zwischen dem 7. und 9 Jahrhundert als Beginn der Siedlung angegeben.

Die Entstehung des Dorfes Volkerzen könnte damals etwa so vor sich gegangen sein: Als gegen Ende der Völkerwanderung immer mehr Stämme seßhaft wurden, suchte auch ein Mann namens Volkert (oder ähnlich) mit seiner Sippe einen geeigneten Platz, wo er sich dauerhaft niederlassen konnte. Die fruchtbarsten Gebiete am Rhein und anderswo waren damals schon fest besiedelt und so versuchte er hier in dieser Gegend des Westerwaldes sein Glück. Im übrigen scheint er mit einem ganzen Volksstamm hier gewesen zu sein, denn es liegt die Vermutung nahe, daß die Gruppe der - hausen Orte nicht nur zur gleichen Zeit, sondern auch von der gleichen Volksgruppe gegründet wurde. Ob es sich bei dem Stamm um Tencterer, Usiper, Usipeter, Tubanten oder deren Nachfolger, die sich früher hier im Raum aufhielten, waren, ist nicht mehr genau auszumachen. Diese Volksstämme gingen nämlich etwa im 6. bis 7. Jahrhundert im Verband der Franken auf. Diese Franken waren es dann, die hier das Land bis in die Karolingerzeit besiedelten. Jedenfalls ließ sich damals der genannte Volkert, dessen Name im übrigen von fulc, folc = Volk, Herrscher, hart und kühn herrührte, auf dem Platz nieder, wo sich jetzt das Dorf Volkerzen befindet. Hier war alles, was zum Leben für ihn und die Seinen von Nöten war. Es gab Wasser, wahrscheinlich etwas freies Land für den Feld- und Wiesenanbau und ringsum Wald, der nicht nur Schutz und Holz spendete, sondern auch Weide fürs Vieh war, und dessen Eicheln und Eckern zur Schweinemast zu gebrauchen waren.

Volkert baute ein Haus, möglicherweise schon mit einigen Nebengebäuden . Das war dann Volkerts Haus oder altdeutsch hus (husen). Die Leute, die nun da wohnten, waren von Volkerts Haus oder von Volkertshusen, wie es damals hieß. Um seine Gebäude wurde, wie es zu damaliger Zeit üblich war, ein Zaun gebaut. Er diente nicht nur zum Schutz gegen wilde Tiere, sondern er hatte auch die Aufgabe, das außerhalb weidende Vieh davon abzuhalten, daß es das Gemüse, das man am Haus im Garten anpflanzte, auffraß. Aus dieser ersten Ansiedlung, die damals vor etwa 1100 Jahren entstand, hat sich dann allmählich das heutige Dorf Volkerzen entwickelt. Ob die Anfänge des Dorfes sich wirklich so abgespielt haben, ist schwer zu belegen. Möglich ist es aber, denn vieles spricht dafür.

Im Volksmund ist eine andere Erzählung zur Entstehung des Ortsnamens Volkerzen aufgekommen. Danach sollen auf der Flur "Hundsharts Renchen" in früheren Zeiten zwei Häuser gestanden haben. Dort kamen die Pilger aus dem Hachenburger Raum mit ihren Prozessionen vorbei, wenn sie nach Marienthal pilgerten. In den genannten Häusern sollen sie ihre Kerzen gekauft haben. Da die Häuser voll Kerzen waren, nannte man sie Volkerzen und so bekam dann nach diesen Häusern das Dorf den Namen Volkerzen. Daß diese Geschichte, so schön sie auch klingt, mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, rfte heute gemeinhin bekannt sein.

 

Quellen:
Hauptstaatsarchiv Wiesbaden 74 - 1803, 343 -1. 340 - 1605 u.a.
Landeshauptarchiv Koblenz 30 - 5252 II, u.a.
E. Foerstemann - Die deutschen Ortsnamen - 1863
E. Foerstemann - Altdeutsches Namenbuch Band I u.II 1901, 1916
A.Bach - Die Ortsnamen in ihrer Bedeutung für die Siedlungsgeschichte
Z. f. dt. Bildung 1929 u.a.
H. Gensicke Landesgeschichte des Westerwaldes 1958
W. H. Struck Das Cistercienserkloster Mariestatt 1965